Doch während sich Unternehmen in China und Indien, in Brasilien und Mexiko gegenseitig auf die Füße treten und mit Rabattschlachten um Marktanteile kämpfen, trauen sich erst wenige nach Kolumbien. "In Brasilien gibt es etwa 1000 deutsche Firmen", sagt Thomas Voigt, Leiter der Deutsch-Kolumbianischen Industrie- und Handelskammer (IHK) in Bogotá. "In Kolumbien haben wir erst etwa 60 deutsche Niederlassungen." Die Bundespolitiker, die reihenweise zu Besuch kommen, würden das gern geändert wissen. Angela Merkel war 2008 die erste deutsche Regierungschefin, die je nach Bogotá kam. Das hat auch damit zu tun, dass Kolumbien Deutschlands zweitwichtigster Kohlelieferant ist und über reichhaltige Öl-, Nickel- und Goldvorräte verfügt. Sich trauen. Und schwärmen
Unternehmer, die sich schon getraut haben, schwärmen. Krauss Maffei hat vor fünf Jahren den Sprung nach Kolumbien gewagt und produziert hier Plastikflaschen. "Das Investment hat sich für uns bereits ab dem ersten Jahr gelohnt", sagt Vorstandschef Jan Olaf Siebert.
Rohde & Schwarz ist vor Kurzem in ein zweistöckiges Haus im Norden Bogotás umgezogen, weil das alte Quartier für 20 ständige Mitarbeiter zu klein wurde. Das Unternehmen aus München verkauft Sendeanlagen und Radiosysteme, baute zuletzt das Luftraumkontrollsystem aus: Dafür mussten landesweit 162 Radiosender installiert werden. "Unsere Umsätze sind in den letzten Jahren großartig gewachsen", sagt Andres Betancourt, Geschäftsführer von Rohde & Schwarz in Bogotá.
Die Deutschen mögen zwar als Langweiler belächelt werden, man vertraut ihnen aber mehr als den eigenen Landsleuten. Als deutsches Unternehmen habe man hier einen Wettbewerbsvorteil, sagt Betancourt: "Hecho en Alemania" gilt als Qualitätssiegel. Bei Textilien oder Spielzeugwaren guckt man auf den Preis, da haben die Chinesen den Markt im Griff. "Bei der Hightech wollen die Kolumbianer aber Qualität und sind bereit, dafür auch mehr zu bezahlen." Zudem arbeitet der Zoll effektiv und ist nicht korrupt. Die Waren gelangen problemlos ins Land.
Die politische Stabilität und der soziale Frieden haben viele neue Geschäftsperspektiven eröffnet. Reiche Rohstoffvorkommen und brachliegende landwirtschaftliche Flächen, die wegen des Bürgerkriegs nicht zugänglich waren, können endlich erschlossen und entwickelt werden. "In fast allen Sektoren der Wirtschaft gibt es gute Chancen für deutsche Unternehmer", sagt IHK-Leiter Voigt. Der Bergbau braucht Fördermaschinen und Sicherheitstechnik, das Gesundheitswesen medizinische Geräte, die Landwirtschaft Agrartechnik. Die Finanzbranche ist 2011 um ein Drittel gewachsen, ausländische Banken drängen in den Markt. Voigt: "Allein kann es Kolumbien unmöglich schaffen, es werden Know-how und moderne Ausrüstung gebraucht."
So drängen Konzerne in den Markt. General Motors, Toyota und Renault bauen ihre Autos bereits im Land. Deutsche Konkurrenz wie VW oder BMW hat den Einstieg noch nicht gewagt, nur Daimler lässt seine Busse vor Ort montieren. Auch Siemens hat ein Werk eröffnet, im Schlepptau sind auch viele Zulieferer.
Die neuen Investoren lösen einen Bauboom aus. Im Finanzdistrikt Bogotás schießen überall neue Bürotürme empor. Die Straßen sind notorisch verstopft, nun soll ein neues Bussystem für Abhilfe sorgen.
Besonders gut entwickelt hat sich die alte Drogenhochburg Medellín. Die ehemaligen Armenviertel oberhalb der Stadt sind heute über eine Rolltreppe mit der Innenstadt verbunden, in der moderne Einkaufszentren das Bild prägen. Immer mehr ausländische Firmen machen ihre Niederlassungen in der Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt auf, die mit einem angenehmen Klima und hervorragenden Hochschulen aufwarten kann.